332-Patricks_Café

Patricks cafe hat mich sogar mal ganz kurz und klein ins fernsehen gebracht. Ich war grad zufällig dort Mittagessen und atv drehte seine zweiteilige serie über wiener kaffeehäuser. Unglaublich oft wurde primär der zweite teil dieser serie ausgestrahlt. Denn ich saß in der herzlosen nichtraucherkoje in patricks cafe. Man hatte dort als nichtraucher nämlich kein leiberl. Eine schwingende glastür gabs zum raucherabteil und die schnepfenhaften serviererinnen ließen diese tür ostentativ offen und maulten, wenn man sie entschieden schloss. Ich und ein älterer stammbesucher mit kleinem hund taten dies nämlich.
Im fernsehbeitrag wurde der blutjunge, höchst kommunikative sohn des besitzers mehrfach interviewt. Es wurde gezeigt, wie er mit den stammtischgästen scherzt und lacht. Und zwar sowohl an der bar – im hauptraum=raucherbereich, wie auch am tisch der witwen – gleichfalls im gastlich-herrschaftlichen raucherbereich. Bezeichnend für jenes cafe waren seine haarscharf an den grenzen des guten geschmacks entlang schrammenden marionetten, andersartigen puppen und püppchen, kasperlefiguren und porzellantiere – darunter der unvermeidlich brüllende leopard. Man konnte diese elemente als grauenhaft-gruslig oder auch als eigenwillig pittoresk empfinden. Für mich traf, glaub ich, zweiteres zu.
Leider wurde es in jenem zwischenkobel, der für uns arme, übergangene nichtraucherleins herzlos zur verfügung gestellt worden war, immer bedauernswerter. Außer der kaum sich umwälzenden luft zwischen zwei rauch-haupträumen fand nämlich so gut wie kein luftaustausch statt. Es war traurig da drin und ich war dann irgendwann dort auch nimmer zu sehen, zumal das Mittagessen ja nicht gerade ein besonders billiges war.

Nun gehe ich kürzlich an patricks cafe vorbei und sehe, außen prangt ‚neuübernahme’. Das erscheint mir unglaublich sonderbar, hat es sich doch dort ganz offenbar um einen familienbetrieb mit interner generationsweitergabe gehandelt. Also, wer gibt denn so was auf, in gottesnamen! Ich dachte mir ‚gehst rein und fragst an der stinki-raucherbar, wo denn nun der charmante patrick hin sein und warum dies alles.’ Wachs ich also da rein und sitzen zwei bis drei apathisch vor sich hin stierende trankler an einem Sonntag Vormittag an der bar. hinter der bar nicht auch nur der leiseste tau irgendeines menschen: eines kundigen, eines bedienenden oder sonst was. Was ist denn das jetzt für ein planet bitte. Eher fluchtartig schleiche ich nach vor, durch den luftgestauchten nichtraucherkobel zum andren hauptausgang hinüber und verlasse diese unendlich elende wüste, die wie nach dem einschlag einer neutronenbombe anmutet. Alle rumhängenden püppchen, marionetten, porzellantiere – alles wurde mitgenommen. Wo ist nun mein patrick. Welche witwen bezaubert er nun. Warum lief er weg? Ich habs gehasst, ich war eh nie mehr dort und jetzt trauere ich um den ort. Aber es gibt eine dokumentation, die ihn aufzeigt, wie er einmal gewesen ist und da war ich dabei. /437w

331-Nie_Vergessen

Als wölfin glaub ich nicht, dass ich der mensch bin, mit dem man einfach so aus heiterem himmel ins gespräch kommt. Überhaupt reagier ich ja schwerhörig, wenn man von mir in einem lauten ambiente einen smalltalk haben will. Warum denn auch sich so viel antun – schmerzhaft – für dermaßen sinnfreies geschwätz! und gerade deswegen bleiben mir die wenigen anekdoten, in denen mir einfach so aus heiterem himmel durchaus wichtige dinge mitgeteilt wurden – von vorher und auch nachher komplett unbekannten personen.

  • in jener zeit, als ich noch bahn fahre, lande ich eines schönen tages unversehens in kainisch. vom bahnhof aus bin ich per rad unterwegs zu einem see. Es spricht mich ein älterer herr aus der schweiz an, der kurioserweise mit seiner gattin unterwegs ist. Wie geht DAS denn? Na jedenfalls sagt er mir aus heiterem himmel „nun wissen sie, jetzt bin ich pensioniert, in der schweiz und ich habe durch meine wertpapiere zu der pension dazu ein höheres einkommen, als ich es in der schweiz als arbeitender mensch hatte“. Schön für ihn, denk ich mir dazu. Dies geschah in den 90er jahren – lang bevor überhaupt auch nur eine krise am horizont erkennbar war. Im sinne der ökonomischen gerechtigkeit bleibt uns heute armen leuten zu hoffen, dass der vom glück gebenedeite zwischenzeitlich entweder von uns gegangen ist oder in einem heim vor sich hin darbt. Weil gegen soviel saturierten wohlstand bin ich als oame oaweiterin ein bisschen allergisch. Ich nahms aber gelassen, damals. Der untergang dieser welt war einst ja noch nicht abzusehen gewesen.
  • vor 5 jahren war ich zufällig die veterinär-uni am tag der offenen tür besuchen. Ich wollte mir im vet-shop einfach nur was zum trinken kaufen und flott weiterlaufen. Da fängt doch der shop-inhaber mir im zuge des verkaufens eines blöden wassers die geschichte des shops zu erzählen an und seinen ganzen bezug dazu. Ich frage mich bis heute, warum. Mich berührte das damals einfach. Ich fand es bewegend, wie der mit seinem shop mitlebt. Er erzählte, wie zu anfang des semesters alle begeistert dort gummistiefel kaufen. What the fyck, ich wollte doch afoch nur a wasser, bittescheen! Aber auch hier nahm ich stoisch, freundlich gelassen. Zwischenzeitlich wurde sein von ihm so geliebtes geschäft innerhalb des hauses um ein paar meter verlegt, da raum für die kinder-auffang-stätte benötigt wurde. Wie mag er dies wohl verkraftet haben. Ich geh davon aus, er ist zwischenzeitlich verdientermaßen in pension. Die begeisterung jenes mannes berührt mich bis heute sehr.
  • Jährlich hab ich kalenderjagd bis tief in den sommer hinein. Erst vorgestern kaufte ich mir um je einen euro einen conceptum und einen moleskine fürs laufende jahr. Das gehört bei mir dazu – dieses hobby kostet weniger als einen lauen kaffee. Und so gabs anfang 2011 rote riesenkalender beim nanu-nana shop. Ich packte mir so einen. waren zu anfang des jahres immer noch vergleichsweise teure 5 euro. Und es geschah eine begegnung wie sie sonst nie geschieht. kalenderjägerin trifft auf kalenderjäger. Ein ziemlich alter herr, der offenbar aus deutschland war. Wir fingen an, in höchsten tönen von haptisch geilen kalender-editionen zu schwärmen. Auch er hatte die gattin dabei. Warum tun die das? Nun erzählte mir der alte mann stolz, er hätte noch kalender aus dem „soundsovielten“ reich. Auch hier reagierte ich stoisch, freundlich gelassen. Nichts konnte mich schocken, garnix. Der mann liebte schließlich kalender genauso leidenschaftlich wie (m)ich. Am ende sagte er zu mir „ich werde Sie nie vergessen“. Genau dadurch vergaß auch ich ihn bis heute nie. Es ist 6.5 jahre her, vielleicht ist der mann schon verstorben. Ich glaubs fast nicht.
  • in floridsdorf steig ich aus der schnellbahn. Erneut ein älterer, kommunikativer herr, der mich anspricht. Aus dem nichts heraus erzählt er mir, wie er und genossen einst als gewerkschafter für arbeitnehmerrechte gekämpft haben. Als er mir dies erzählt, berührt es mich innerlich ungefähr so, wie wenn in china ein sack reis umfällt. Später erst wird mir die bedeutung seiner worte gewahr: viele jahre später nämlich. heute, wo die arbeitnehmerrechte erneut mit füßen getreten werden. alle errungenschaften sind dahingerafft. jene aber, die einst dafür gekämpft hatten, sind alle noch gnädig mit der frühpension ins froh-saturierte ausgedinge gesandt worden. und wir jungen, die wir auch schon alt sind, dürfen nun in der prekarität ums nackte überleben kämpfen, teils nicht mal mit einem dach überm kopf. seine worte waren weise und wahr. Auch sie bewegen mich bis heute zutiefst.