102-Labello_Mann_Manifest

morgens sehe ich am bahnsteig der s-bahn einen labellomann. er ist hipster mit abgschleckten brünetten haaren und möchtegern-rauschebart. seine ungenierte, weibisch anmutende verwendung eines labellostifts am bahnsteig, kurz bevor er meine s-bahn ‘besteigt’, versucht, ihm einen metrosexuell anmutend androgynen touch zu verleihen. der labello-mann hat alles mit apfel. in der s-bahn packt er iphone und ipod aus, nestelt an seinen weißen hörerchen rum. einstweilen wirkt der labello ein. der labello-mann ist was, was man einst als metrosexuellen bobo tituliert hätte. aber heute ist er ein hipster, wählt vdb und ist ehrenamtlicher gutmensch. er ist im prinzip aber eine eher feige sau. gleichzeitig ziemlich egoistisch. drängt sich vor und tut so, als merke das keiner. seine meinung bildet er basierend auf den einschlägigen guti-zeitschriften und -sendern. wenn ihm an andren menschen irgendwas nicht passt, sitzen stereotype beschimpfungs-fachtermini wie ‘racist’ ganz schön locker auf seinen lippen. selbverständlich ist er akademiker, war aber auch mal arbeitslos. in seinem gutmensch-helferlein-grundtenor hat er mal während einer arbeitssuche den lebensberater-kurs gemacht. weil dann steht er immer als der gscheitere da, der oberlehrer, der gut-mann, der die weisheit mit dem großen löffel gefressen hat. der labello-mann ist die fleischgewordene replik auf den einstigen, verlebten marlboro-mann, welcher ja – wie wir wissen – längst seinem raucherbedingten krebs erlegen ist. unser labello-mann macht auf veganer, muss aber um cool zu sein, immer was in der hand haben. wirklich raucher ist er aber nicht. er läuft mit, mit den rauchern, wenns in ein lokal geht. weil er so tolerant ist. in seiner unumwundenen toleranz merkt er nicht, wie faschi*tisch eigentlich seine toleranz ist. denn sie lässt nur zu, was medial auch verbreitet wird. die obligatorische grundtenor meinung. teilt die wer nicht, finden wir obig angeführt die liebsten fachtermini des guten labello-mannes. der labello-mann ist ein typischer kerl, der die männerkarenz in anspruch nimmt. seinen sohn erzieht er antiautoritär. das daraus resultierende tyrannisch anmutende kind, findet er verhaltensinnovativ und damit gut. allem voran gegenüber seinen mitmenschen. er ist also akademisch, arbeitet in befristeten verträgen prekär und weiß wie alle jungen, er wird eines tages keine pension bekommen. er glaubt, er ist immer jung und gesund. wir alle haben das geglaubt, als wir noch jung, gesund, dynamisch und leistungsfähig waren. einestages wird auch ihn das burnout ereilen./373w644 photo credit: Perzec 382 Vardagar 207 / 366 Everydays 207 via photopin (license)