262-U_nterschicht

Angemerkt sei: die radiovorschau (üblicherweis Sonntag abend) kam schon gestern Samstag. Sie ist also weiter unten zu finden. Hierfür ist der abschnitt ‚intentions’ im sidebar ganz hilfreich zum direkt-reinklicken.
Jetzt aber zum beitrag (piper/denkanstöße2011) von ulrike herrmann über die unterschicht und ihre krampfhafte sehnsuchtsbeziehung zur mittelschicht. Nun – genaugenommen konzentriert sich u.herrmann ja eigentlich auf die mittelschicht. Und wir finden bei u.herrmann argumente, wie sie auch beim österreichischen martin schenk zu finden sind. Es sind stark linkslinks – ja fast möchte man meinen – marxistische tendenzen da rauszuhören. Ich kann mich bei herrmanns these nicht ganz rausnehmen. Viele mittelschichtler kratzen zwar in wahrheit stark schon an der unterschicht – etwa weil lohnabhängig und den launischen kündigungstendenzen der firma ausgeliefert – doch solangs ihnen nicht passiert, meinen sie, mit ihrem meist erbarmungswürdigen sold wären sie abgesichert. Mitnichten sind sie das. Mal abgesehen von krankheit burnout trennung trunk und spielsucht sind sie vor allem durch wohnkosten armutsbedroht. Kippt der job, dann ist auch bald die wohnung gefährdet. Weil sich keine billige findet, droht obdachlosigkeit. Frauen schlupfen unter obskuren freundschaftsbedingungen unter – männer landen im P7 als erste anlaufstelle. Ja, und so krallt sich die mittelschicht verzweifelt an die oberschicht, sich krampfhaft einredend, sie sei eine solche, nur weil sie etwa akademisch verbildet ist. Akademisch verbildet sein heißt ab nem gewissen alter, dass man adäquat nix findet und für alles inadäquate überqualifiziert ist. Man ist also in derselben rue-de-gaque wie die unterschicht, nur dass man tiefer fällt. Die umstände, in die man sich in besseren zeiten reingepfloppt hat, kommen einem schlagartig zu teuer. In ihrem identifikationswahn mit der oberschicht schützt die mittelschicht selbige und schadet sich dadurch selbst. Anstatt dass sie sich für die unterschicht stark macht, hat sie zusehr angst, an diese anzustreifen. Sie tut, als wär sie oberschicht und lässt damit eine politik zu – ja WÄHLT eine politik – die auf sie scheißt, kaum dass die mittelschicht per kündigung, erschöpfungssyndrom oder sonstigem schicksalsschlag aus der bahn des funktionierens rausfällt.
Paradoxon am rande: nach wie vor sprech ich mich gegen vermögenssteuern aus. Sie greifen erst, wenn sie auch die mittelschicht empfindlich angreifen. Diese wird also ausgeblutet: was an kleinem vermögen noch da ist, wird zwangsliquidiert und es wird damit genauso geurasst wie schon bisher. Während die 110 reichsten ihre schäfchen längst ins trockne gebracht haben: sie haben nämlich consultants und wissen wies geht. Mit vermögenssteuer wird die mittelschicht einfach nur künstlich verarmt und zur lohnabhängigen sklaven- und ausgelieferten unterschicht transformiert. Sie wird sozialtransfer-abhängig und man kann mit ihr verfahren wie man will – einfach nur mit nahrungsentzug (entspricht geldentzug) bedrohlich wackeln: und geht schon. /423w_pixabay_445693